Restauration einer französischen Kaminuhr

Bei der nachfolgend beschriebenen Uhr handelt es sich um eine französische Kaminuhr im massiven Bronze-Gehäuse aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa um 1860. Antike Uhren dieser Art wurden zu jener Zeit in allen möglichen Variationen hergestellt. Speziell die Epoche Napoleon III. hat sich sämtliche vergangene Stilarten der Uhrmacherei einverleibt. In Form von unzähligen, teils werten aber auch kitschigen Modellen von Kamin-und Tischuhren wurden sie dem geneigten Zeitgeist zum Kauf präsentiert. Materialien wie Marmor, Alabaster, Zinnguss und bräunierte Bronze entsprachen dem Geist jener Uhrenepoche.

Auch heute kann man noch verschiedenste Modelle auf Auktionen erwerben oder mit etwas Geduld auf Antikmärkten aufstöbern und kaufen. Die Zeit hierfür ist günstig, denn die Preise sind dank geringer Nachfrage tief.

Zur Restaurationsarbeit

Die Oberfläche des massiven Uhrgehäuses, sowie sämtliche Applikationen waren ursprünglich feuervergoldet. Diese Veredelung wurde aber über die Jahre durch unsachgemässe Pflege und minderwertig ausgeführte Instandstellungsarbeiten leider fast komplett beschädigt.

Das grosse Pariser Rundwerk ist von guter Qualität und mit einem Rechenschlagwerk ausgerüstet. Die Regulation erfolgt über ein Brocot-Reguliersystem, welches ab 1850 in Uhrwerken dieser Art sehr verbreitet war. Es ermöglichte eine sehr genaue Regulierung der Ganggenauigkeit.

comtesse-02Durch die komplette Zerlegung des Uhrwerk-mechanismus und einzelner Komponenten, werden diverse Verschleiss-erscheinungen sichtbar. In diesem Falle u.a. die zwei durch Korrosion gebrochenen Zugfedern von Geh- und Schlagwerk.

 


 

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Es müssen nun für beide Federhäuser in den Dimensionen und Toleranzen passende Zugfedern bestellt werden.

Für die Auswahl entscheidend sind: die Höhe, die Federstärke und der Innendurchmesser des Federhauses.



 

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Diese werden mit einem speziellen Federwinder gespannt und in die Federhaustrommeln eingewunden. Der Federstahl wird mit einem synthetischen Spezialfett geschmiert. In diesem Falle und bei der vorliegenden Klingen-stärke von 0.38 mm verwende ich das Motorex lghx 176.

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Die Feder darf nicht übermässig stark gefettet werden, da das Fett sonst in die Lagerung des Federkerns vorstösst. Die Federkernlager werden mit dem sogenannten Moebius 8200 geschmiert.


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Die im Ultraschall gereinigten und montierten Federhäuser sind bereit für den Einbau.

 

 

 

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Nun müssen sämtliche Radzapfen fein geschliffen und poliert werden. Erst danach wird entschieden, welche Radlager neu eingepasst werden müssen.

 

 

 

comtesse-09Die neu zu setzenden Lagerpositionen müssen zentrisch aufgebohrt und auf 3/100 mm ausgerieben werden. Nun können die passenden Hartmessinglager eingepresst werden. Jedes Zapfenspiel muss einzeln im Seitenspiel überprüft werden, bevor die Ölsenkung etwas nachgefräst wird.

 

 

 

 

comtesse-10Sämtliche Komponenten und Teile aus Messing können währenddessen im Ultraschallbad bei 55 – 60 ° C gereinigt werden.

(Reinigungslauge: Ortimex)

 

 

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Leichte Korrosionsverfärbungen und Roststellen werden mit einer feinen Drahtbürste minuziös und so gut wie möglich von der Stahloberfläche von Trieben, Hebeln und Achsen entfernt. Die Stahltriebe werden wenn nötig mit Polierpaste nachgearbeitet.

 

Die Säureschäden von vergangenen, unsachgemässen Eingriffen in den Uhrwerkmechanismus, sind auch auf den Platinen noch deutlich zu erkennen.

 

 

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In diesem Falle ist eine leicht abrassive Oberflächen-Behandlung unabdingbar, um dem Material seine ursprünglich Farbe wieder zurückzugeben.

 

 

 

Nach der folgenden Endreinigung erstrahlen die Materialien wieder in brillantem Glanz. An dieser Stelle soll aber nochmals deutlich gesagt werden, dass Auffrischungen dieser Art nur bei Härtefallen durchgeführt werden sollten. Die Werksplatinen dürfen grundsätzlich die über die Jahre erhaltenen Schlagspuren und Kratzer ruhig behalten. Diese gehören zum Objekt und seiner Geschichte.

Nun zum Problem des Minutenrohrs: Um die Auslösung des Minutenzeigers auf Punkt 12 bzw. 6 Uhr zu positionieren, hat man das Minutenrohr einfach in die gewünschte Position geschoben und so den Friktionsabschnitt verdreht und unbrauchbar gemacht. Bei dem Versuch, die richtigen Verhältnisse wieder herzustellen, ist das Material fast erwartungsgemäss aufgebrochen.

Die mit Hartlot zu verbindenden Positionen werden vorher leicht angeschliffen und gründlich gereinigt. Danach wird die Bruchstelle Lötwasser behandelt und anschliessend mit Hartlot präzise verbunden.

 

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comtesse-21 comtesse-22Sämtliche Stahlschrauben werden über der Spiritusflamme bei knapp 300°C blau angelassen.

 

 

 

Um einer vorzeitigen Verschmutzung des Uhrenöls vorzubeugen, müssen alle Drehlager mit zugespitztem Buchholz gründlich ausgerieben werden.

 

 

Ankerradzähne, sowie die Ankerpaletten aus Stahl werden einem speziellen Stop-Oil-Verfahren unterzogen, damit das Hemmungsfett über Jahre an gleicher Position verharrt.

 

 

Nach der Hauptreinigung aller Bestandteile wird das Uhrwerk aufgerichtet (zusammengebaut) und sämtliche Funktionen im Schlagwerk in die richtigen Positionen gebracht. Obere und untere Platine werden aufeinander gesetzt und verstiftet.

 

Auf der Zifferblattseite des Werkes müssen die Eingriffe von Minutenrohr und Wechselrad beachtet werden.

 

 

 

 

comtesse-24Nun wird das Uhrwerk mit montiertem Pendel-und Reguliersystem provisorisch in Gang gesetzt, dies um die Hemmungsfunktion zu prüfen und gegebenenfalls Einstellungen vorzunehmen.

 

 

 

 

 

comtesse-25Das Uhrwerk ist nun komplett revidiert und für den Einbau bereit.

 

 

 

 

 

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Nun wenden wir uns der Aufarbeitung und Instandstellung des Bronzegehäuses zu. Das Material hat über die Jahre eine teilweise starke Patina erhalten. Die Dekor-Applikationen sind stark verschmutzt und eine einfache Reinigung mit Pinsel ist daher nicht möglich. Das Gehäuse muss partiell zerlegt werden.

Durch lösen der jeweiligen Schrauben wird das Gehäuse in seine groben Einzelteile zerlegt.comtesse-19

Diese werden nun nacheinander vorgereinigt und in der Reinigungslauge mit Ultraschall nur kurz geschwenkt, damit die Oberfläche ihre Patina nicht verliert.

Vorher.

 

Nachher.

 

 

 

Nach einer unmittelbaren Spülung mit Wasser werden die Komponenten mit Druckluft und auf dem Warmluftstrom gut getrocknet, damit keine Flecken entstehen.

Nun wird das revidierte Uhrwerk eingebaut und genau positioniert. Das justieren des Hemmungsabfalls (regelmässiges Ticken) sowie die Position der Pendelstange innerhalb der Ankergabel müssen genau kontrolliert werden. Danach muss die Uhr über mindestens 4 Wochen einer Gang-und Funktionskontrolle unterzogen werden. Eine französische Pendule dieser Art, mit Brocot-Pendelaufhängung, sollte innerhalb einer Woche nicht mehr als eine Minute abweichen.

Le voilà !